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Mitschrift Pressekonferenz

Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Prof. Hans-Joachim Schellnhuber und Prof. Dr. Volker ter Meulen

Do, 17.05.2007
am 16. Mai 2007 in Berlin
BK’IN DR. MERKEL: Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen heute gemeinsam mit unserem Klimaberater, Herrn Prof. Schellnhuber, eine ganz besondere Gruppe vorstellen, die sich für den G8-Gipfel und für die Frage engagiert hat, wie wir den Klimawandel stoppen können.
 
Hierbei handelt es sich um die Präsidenten der wissenschaftlichen Akademien der Mitgliedsländer der G8 plus die Präsidenten der Akademien der sogenannten Outreach-Länder - also Indien, China, Mexiko, Brasilien und Südafrika -, plus ein Repräsentant des Netzwerks der afrikanischen Akademien. Sie haben sich gemeinsam dem Ziel verpflichtet, seitens ihrer wissenschaftlichen Community und mit ihrer wissenschaftlichen Kapazität deutlich zu machen, dass wir den Klimawandel bekämpfen können, dass wir ihn bekämpfen müssen und dass es einen engen Zusammenhang zwischen Klimafragen und Energiefragen gibt, die natürlich in der jeweiligen Verantwortlichkeit und Ausgangslage der Länder ganz unterschiedlich gesehen werden. Sie münden in einer gemeinsamen Erklärung, die federführend durch die Leopoldina in Deutschland vorbereitet wurde, wofür ich in besonderer Weise danke.
 
Man möge sich einmal vorstellen, welche geballte wissenschaftliche Kraft hinter den Dokumenten steht, die erarbeitet worden sind. Ich bin sehr dankbar für dieses Engagement, weil es mit Sicherheit ein wichtiger Baustein ist, um unseren Forderungen für den G8-Gipfel Nachdruck zu verleihen und um das Thema in die Gesellschaften zu transportieren; denn das Spezialwissen der einen ist natürlich noch kein gesellschaftliches Gesamtwissen, kein Aufbruch zu einem Wandel.
 
Deshalb gilt mein herzlicher Dank all denjenigen, die daran mitgearbeitet haben. Ich glaube, es ist eine historische Angelegenheit, dass so viele Präsidenten von Akademien bereit waren, in Halle zu tagen, später ihre eigenen Akademien davon zu überzeugen und heute wieder hier zu sein und mir die Erklärung zu übergeben. Deshalb freue ich mich sehr über das heutige Treffen und darüber, das heute von Ihnen zu bekommen, Herr Prof. Dr. ter Meulen.
 
PROF. SCHELLNHUBER: Wir Repräsentanten der Wissenschaft freuen uns natürlich außerordentlich, dass die Frau Bundeskanzlerin uns eingeladen hat, diese Akademienerklärung zu übergeben. Sie selbst hat bereits das Wort "historisch" in den Mund genommen. Ich glaube auch, dass es ein historisches Ereignis ist. Das wird oft gesagt.
 
Die Einschätzung der Akademien über die Klima- und Energieproblematik ist eine Einschätzung auf dem höchstmöglichen wissenschaftlichen Niveau, das man sich überhaupt vorstellen kann. Die geballte Expertise dieser Akademien hat sich diesem Problem zugewendet und folgendes festgestellt: 1. Das Problem ist real. 2. Es muss sehr schnell gehandelt werden. In den nächsten zehn bis 15 Jahren müssen die richtigen politischen und ökonomischen Entscheidungen getroffen werden. 3. Wir sind – das ist die hoffnungsvolle Botschaft – sehr wohl in der Lage, dieses Problem zu vernünftigen ökonomischen Kosten noch in den Griff zu bekommen, allerdings nur, wenn technologische Innovationen in einem Maße angeschoben werden, wie es in den vergangenen 30 bis 40 Jahren nicht mehr geschehen ist.
 
In unserer Diskussion vorhin habe ich bereits gesagt, dass wir im Grunde genommen eine neue Partnerschaft zwischen Wissenschaft und Politik brauchen, um uns aus dieser Problematik herauszubewegen. Der G8-Gipfel in Heiligendamm steht bevor. Wir hoffen sehr, dass die Ziele der Bundeskanzlerin dort breites Gehör finden, sodass wir einen Schritt weiterkommen, und dass der gesamt Prozess der Klimaarchitektur – Sie wissen, dass im Dezember dieses Jahres die nächste große Klimakonferenz in Bali stattfindet –, die wir benötigen und die das Kioto-Protokoll ablöst, erfolgreich ist.
 
Wir als Wissenschaftler sind außerordentlich besorgt über die Situation. Was Sie in der Akademienerklärung in sehr vorsichtig ausgedrückten Worten finden, ist die völlig übereinstimmende Meinung von acht G8-Akademien, von fünf Akademien von Outreach-Ländern und einer afrikanischen Akademie der Wissenschaften. Jede dieser Akademien hat diesen Text in den eigenen Gremien diskutieren und darüber abstimmen lassen. Dabei gab es keine Gegenstimme. Deshalb ist das die einstimmige Meinung der Elite der globalen Wissenschaft. Ich denke, das ist ein bemerkenswertes Ergebnis.
 
PROF. DR. TER MEULEN: Frau Bundeskanzlerin, ich darf Ihnen im Namen aller hier versammelten Akademiepräsidenten und –vizepräsidenten, die sich zusammengetan haben, um diese Stellungnahme zu erarbeiten, diese offiziell übergeben. Wir danken Ihnen, dass wir heute hier sind und die Möglichkeit haben, mit Ihnen diskutieren zu können.
 
FRAGE THURAU: Frau Bundeskanzlerin, Anfang der Woche gab es in der "Süddeutschen Zeitung" einen Beitrag mit dem Inhalt, dass die Gespräche vor Heiligendamm mit den Amerikanern vor allen Dingen zum Thema "Klima" dazu geführt hätten, dass sich Ihre Pläne, möglichst ehrgeizige Ziele und Vereinbarungen festzulegen, nicht verwirklichen lassen und es allgemeingültige Formulierungen sein werden? Wie ist der Stand der Dinge?
 
BK’IN DR. MERKEL: Das kann man jetzt noch nicht abschließend sagen. Es ist normal, dass an den Gipfelpapieren gearbeitet wird. Es ist klar, dass die europäischen Ziele ambitionierter sind als die Ziele anderer Länder. Verhandelt wird bis zum Schluss. Deshalb kann ich heute noch keine Prognose abgeben. Das letzte Sherpa-Treffen hat noch nicht stattgefunden. Dieses wird Ende Mai stattfinden. Dann haben wir immer noch ein paar Tage Zeit.
 
Wir werden versuchen, Ziele so fixiert wie möglich zu verabreden. Ob das gelingt, kann ich nicht sagen. Dies ist heute eine unterstützende Aktion.
 
FRAGE KRÄGENOW: Frau Bundeskanzlerin, in dem Papier wird das 2-Grad-Ziel nur vage genannt. Es wird gesagt, es sei eine große Herausforderung, dies zu erreichen. So sehen das die Wissenschaftler. Glauben Sie, dass Sie sich mit den Amerikanern auf ein solches Ziel einigen können? Werden Sie darauf großen Wert legen?
 
BK’IN DR. MERKEL: Wir haben zunächst einmal Ziele und Bewertungen aus dem IPCC-Bericht. Ich werde nichts unternehmen, was das 2-Grad-Ziel infrage stellt. Es gibt keine Debatte darüber, ob wir uns als Politiker ein anderes Ziel vornehmen. Das 2-Grad-Ziel ist durch die wissenschaftlichen Erkenntnisse gesetzt.
 
Für mindestens genauso wichtig wie dieses Ziel halte ich die Umsetzung im Hinblick darauf, was das für die Reduktionsaufgaben der nächsten Jahre bedeutet. Wir versuchen natürlich, in irgendeiner Weise die Herausforderung in ihrer Größe zu beschreiben. Für die europäischen Länder in der G8-Gruppe ist es weder ein Problem, das 2-Grad-Ziel zu benennen, noch ist es ein Problem, die 50-%ige Reduktion bis zum Jahr 2050 zu nennen, noch ist es ein Problem, die Reduktionszahlen für das Jahr 2020 zu benennen. Das andere muss ich dem Verhandlungsprozess vorbehalten lassen.
 
ZUSATZFRAGE KRÄGENOW: Wird es in Deutschland gelingen, diese Ziele nicht nur zu benennen, sondern auch die Reduktionsziele zu erreichen und die entsprechenden Maßnahmen von Seiten der Regierung zu beschließen?
 
BK’IN DR. MERKEL: Daran arbeiten wir. Das sind sehr ambitionierte Ziele. Die Zeit der Ausarbeitung von Zielen ist vorbei. Jetzt folgt die Phase der Umsetzung. In der Koalitionsvereinbarung haben wir uns zum Ziel gesetzt, die Reduktionsziele bis zum Jahr 2020 zu erreichen, indem die Energieeffizienz verdoppelt wird. Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Wir werden uns im Energiedialog im Sommer dieses Jahres anschauen, unter welchen Maßgaben das erreicht werden kann und was zu tun ist.