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Rede von Bundeskanzlerin Merkel anlässlich des "African Partnership Forum"

Di, 22.05.2007
am 22. Mai 2007 in Berlin


Sehr geehrter Herr Premierminister, lieber Herr Rasmussen,
sehr geehrter Herr Präsident Mogae,
sehr geehrter Herr Außenminister aus Ghana, Herr Akufu-Addo,
sehr geehrter Herr Professor Mucavele,
liebe Frau Ministerin Tornaes,
liebe Frau Kollegin Wieczorek-Zeul,
meine Damen und Herren,
 
ich freue mich, das "African Partnership Forum" in Berlin heute hier zusammen mit dem dänischen Premierminister, meinem Kollegen aus der Europäischen Union, und dem Außenminister Ghanas als Vertreter der Präsidentschaft der Afrikanischen Union eröffnen zu können.
 
Ich bitte Sie, Herr Außenminister, dass Sie die herzlichen Grüße an Ihren Präsidenten Kufuor aus Ghana überbringen, den wir natürlich sehr erwartungsvoll in Heiligendamm begrüßen werden. Wir freuen uns auf seinen Besuch in Deutschland.
 
Ich freue mich natürlich besonders, dass Sie alle hier so zahlreich erschienen sind, denn Sie unterstreichen damit die Bedeutung des "African Partnership Forum" für einen offenen und – wie der Name schon sagt – partnerschaftlichen Dialog.
 
Dieses Forum ist immer wieder eine willkommene Gelegenheit, ein umfassendes Bild von Afrika zu vermitteln. Denn noch immer wird die Wahrnehmung Afrikas in einer breiten Öffentlichkeit – jedenfalls ist das in Deutschland so – fast ausschließlich durch Bilder und Berichte von Krisen und Konflikten dominiert.
 
Ich glaube, es ist ganz wichtig, deutlich zu machen, dass dies der Realität nicht gerecht wird.
 
Die Wirklichkeit stellt sich sehr viel differenzierter dar: Es gibt in Afrika seit einigen Jahren weniger Konflikte, es gibt mehr demokratische Wahlen, es gibt mehr friedliche Machtwechsel. Weitgehend unbeachtet ist auch, dass das Wirtschaftswachstum in Afrika im Durchschnitt hoch ist – über 5 % – und dass es Wirtschaftswachstum – und das finde ich ganz wichtig – nicht nur in den rohstoffreichen Ländern gibt, sondern auch in anderen Ländern.
 
Es gibt in einigen Ländern hoffnungsvolle Signale, was die Bekämpfung von HIV/AIDS anbelangt. Es gibt mehr Kinder, die an Bildung teilhaben können. Das alles gibt es, ohne die noch bestehenden Probleme unter den Tisch kehren zu wollen.
 
Deshalb glaube ich, dass sich nach Jahren der Stagnation die Chance für eine Teilhabe Afrikas an einer nachhaltigen Entwicklung und für eine Reduzierung der Armut auftut.
 
Viele wollen das vielleicht angesichts von immer noch 300 Millionen Menschen, die in Afrika in Armut leben, als Utopie abtun. Aber ich möchte dem das Beispiel Europas entgegensetzen.
 
Europa war über Jahrhunderte hinweg auch ein Kontinent voller Kriege und Krisen. Es schien vielen kaum möglich zu sein, dass wir einmal – vor wenigen Tagen – den 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge in der Europäischen Union feiern und sagen könnten: Das waren Jahre des Friedens. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir im Übrigen die längste Friedensperiode in der Geschichte Europas.
 
Die Menschen in Europa können heute auf eine Zukunft in Frieden und Freiheit blicken. Sie können zusammen mit ihren Kindern ein selbstbestimmtes Leben in Würde führen. Warum soll das, was in Europa möglich wurde, nicht genauso für Afrika gelten?
 
Wie wurde das in Europa möglich? Ich glaube, es wurde möglich, weil die Nationalstaaten begriffen haben, dass sie ihre eigenen Interessen immer dann am besten vertreten können, wenn sie auch die Interessen der anderen Nationalstaaten verstehen und einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen finden.
 
Das Schauen über den eigenen Tellerrand hat im Grunde die eigenen Interessen gestärkt und nicht geschwächt. Deshalb habe ich am Anfang unserer EU-Präsidentschaft im Europäischen Parlament gesagt: Wenn wir nach der Seele Europas fragen, dann hat diese Seele viel damit zu tun, dass wir gelernt haben, tolerant zu sein und andere zu respektieren, sie in ihrer Würde zu achten und dies als Bereicherung unseres eigenen Lebens zu begreifen.
 
Ich glaube, dass dies auch in Afrika möglich ist. Ich glaube, dass die Menschen die Kraft dazu finden können und dass wir, die Europäer, aus unserer gesamten geschichtlichen Vergangenheit heraus auch gegenüber dem afrikanischen Kontinent in einer ganz besonderen Weise eine Verantwortung haben, zumal Afrika unser Nachbarkontinent ist.
 
Deshalb stehen wir in der Pflicht, diese Vision, Ihre Vision, in Afrika zu verwirklichen – und zwar nicht von oben herab, sondern im Geiste der Partnerschaft, wie es der Name des "African Partnership Forum" besagt. Dies kennzeichnet auch die Politik der Bundesregierung und ganz besonders der zuständigen Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die mit dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – es heißt nicht mehr "für Entwicklungshilfe", sondern "für Entwicklung", was ja auch ausdrückt, dass Afrika eine Chance hat – hier einen ganz herausragenden Beitrag leistet.
 
Wir verstehen inzwischen, dass immer mehr Konflikte in der Welt überhaupt nur noch global zu lösen sind – ob das die Fragen der Energieversorgung und des Klimawandels sind, ob das die Fragen von Migration und Bürgerkriegen sind, ob es um die Bekämpfung des Terrorismus oder von Pandemien geht, vor denen wir alle nicht die Augen verschließen können.
 
Wir wissen natürlich auch, dass Divergenzen durch wirtschaftliches Wachstum auf einem Kontinent und Armut auf dem anderen Kontinent Probleme schaffen, vor denen sich niemand wegducken kann. Deshalb glaube ich, dass wir miteinander Schritte besprechen sollten, die getan werden müssen.
 
Ich glaube, dass die Gründung der Afrikanischen Union ein ganz wesentlicher historischer Schritt war und dass es auch ein Anliegen der Europäischen Union ist – das sage ich als Ratspräsidentin –, alles zu tun, um Fähigkeiten, Möglichkeiten und Kräfte dieser Afrikanischen Union zu unterstützen und ihr auf dem weiteren Weg zu helfen. Auch das Reformprogramm "NePAD" möchte ich nennen, das auch ein ganz wichtiger Schritt war, um möglichst viele Länder in eine gute Entwicklung einzubeziehen.
 
Wenn ich das sage, dann sage ich natürlich auch, dass uns diese Visionen nicht den Blick auf die Realität verstellen dürfen. Dass die Prozesse schwierig sind, ist klar. Wenn wir uns einmal die Wahlen in Nigeria vor wenigen Tagen ansehen, so ist es erfreulich, dass zum ersten Mal ein nigerianischer Machtwechsel im Sinne von Wahlen stattgefunden hat. Aber es gibt doch noch gravierende Mängel, es bleibt noch viel zu tun.
 
Wir dürfen natürlich – ich danke Ihnen, Herr Außenminister, dass Sie das ganz offen angesprochen haben – die Probleme nicht verschweigen, die in einigen Ländern bestehen. Die sudanesische Regierung rufen wir eindringlich auf, ihrer Pflicht für ihre Bürger nachzukommen und ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
 
Es muss jetzt endlich der Übergang von der Mission der Afrikanischen Union in eine gemeinsame Mission der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen geschafft werden. Das ist dringend erforderlich. Wir werden mit Ihnen gemeinsam alles tun, um diesen Schritt nun endlich zu ermöglichen. Für diejenigen, die überlegen, ob sie das tun wollen, zählt vielleicht nicht jeder Tag.
 
Aber für die Menschen, die von Flucht, Vertreibung, schrecklicher Not und dem Tod bedroht sind, ist jeder Tag ein unwiederbringlicher Tag. Das sollten wir uns vor Augen halten.
 
Wir werden in Somalia alles daransetzen, um den nationalen Versöhnungsprozess voranzubringen. Wir verfolgen auch mit großer Sorge die Situation in Simbabwe. Die Einschüchterung politischer Gegner, Schikanen gegenüber der unabhängigen Presse, Drohungen gegenüber Farmern und die landesweite Zerstörung von Armenvierteln sind durch nichts zu rechtfertigen.
 
Die Politik Präsident Mugabes ist nicht akzeptabel. Ich appelliere daher auch an die politischen Entscheidungsträger in den Nachbarstaaten Simbabwes: Machen Sie Ihren Einfluss zum Wohle der Menschen auch in Simbabwe deutlich.
 
Die Mitglieder der Afrikanischen Union haben sich in ihrer Gründungsakte zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bekannt. Genau auf dieser Partnerschaft beruht auch die Partnerschaft zwischen den G8-Ländern und Afrika. Deshalb ist es sehr gut, dass wir seit dem Kölner Gipfel 1999 als G8-Gruppe, deren Vorsitz Deutschland auch in diesem Jahr wieder hat, mit unseren afrikanischen Partnern daran arbeiten, diese Reformpartnerschaft weiter zu vertiefen.
 
Diesem Ziel dient auch dieses "African Partnership Forum", das die wichtigsten bilateralen und multilateralen Partner Afrikas versammelt. Wir hoffen, dass sich die Kontinuität und Intensität dieser Beratungen weiter gut entwickeln.
 
Für eine gute Partnerschaft sind natürlich neben der Eigenverantwortung auch gegenseitige Rechenschaft und Verlässlichkeit unabdingbar. Deshalb müssen wir die von beiden Seiten eingegangenen Verpflichtungen auch einhalten.
 
Nun sage ich: Wir sind in einer Zeit, in der eigentlich alles an Zielsetzungen erfolgt, was man sich an Zielen setzen kann: Die Millenniumsziele liegen auf dem Tisch, die Entwicklungshilfequoten sind unterschrieben.
 
Unsere politische Generation hat nun die Aufgabe, die mit Sicherheit nicht einfacher ist als die Erstellung der Ziele, nämlch diese Ziele auch umzusetzen. Wir wissen, dass es dabei um Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit geht.
 
Deshalb werden wir alles daransetzen, diese Ziele umzusetzen. Sie sind anspruchsvoll, aber wir wissen um den Schaden, der entsteht, wenn wir sie nicht umsetzen werden. Deshalb arbeiten wir daran.
 
Diese Ziele sind aber auch im Jahre 2007 anspruchsvoll. Wir verstehen inzwischen, dass Wirtschaftswachstum uns die besten Möglichkeiten dazu gibt, auch unsere Verpflichtungen gegenüber anderen einzuhalten und dafür auch die Akzeptanz in der eigenen Bevölkerung zu bekommen. Deshalb sind innenpolitische Reformen für ein dynamisches Europa und die Hilfe für Afrika verschiedene Seiten einer Medaille.
 
Genauso wichtig ist natürlich auch, nicht nur Geld und Hilfe bereitzustellen, sondern uns auch darum zu kümmern, dass dieses Geld zum Wohle der Menschen in Afrika eingesetzt wird. Deshalb haben wir unser G8-Motto "Wachstum und Verantwortung" gewählt. Bei der Verantwortung geht es auch um die Förderung von "good governance", um wirksame Mechanismen zur Friedenssicherung und um wirksame Bekämpfung von Infektionskrankheiten.
 
Das heißt also, wir wollen Afrika an den Ressourcen und Chancen der Globalisierung teilhaben lassen. Aber wir wollen auch, dass dies in einer effizienten Art und Weise geschieht. Es hat keinen Sinn, unabhängige einzelne Projekte durchzuführen, die zum Schluss in ineffizienten Staatsführungen versickern, sondern wir müssen darauf achten, dass die Institutionen und die Projekte so zueinander passen, dass sie auch die gewünschten Ergebnisse bringen.
 
Wir haben auf einer Vielzahl von Treffen mit Nichtregierungsorganisationen und Wirtschaftskräften diesen G8-Gipfel vorbereitet. Es gibt unglaublich viele junge Menschen in Deutschland, die sich für Afrika engagieren und für die es auch ganz wichtig ist, dass man ihnen über die Erfolge ihres Engagements immer wieder berichtet und gleichzeitig aufzeigt, was noch zu tun ist.
 
Meine Damen und Herren, unter der portugiesischen Präsidentschaft wird die Europäische Union seit Jahren wieder ein Gipfeltreffen mit den afrikanischen Staaten durchführen. Ich habe mich immer sehr dafür eingesetzt. Ich bin der portugiesischen Präsidentschaft sehr dankbar, dass sie das endlich realisiert. Wir sollten dieses Gipfeltreffen Ende des Jahres dann auch dazu nutzen, über Chancen und auch Mängel unserer Kooperation zu sprechen und so unsere Zusammenarbeit weiter voranzubringen.
 
Wir wollen, dass vom G8-Treffen in Heiligendamm eine positive Botschaft für Afrika ausgehen wird. Wir werden das Treffen mit den "NePAD"-Gründerstaaten als Repräsentanten Afrikas fortsetzen, die dort auch ihre Stimme erheben sollen. Wir wollen einfach deutlich machen: Uns liegt dieser Kontinent genau wie unsere eigene Entwicklung am Herzen. Ich freue mich, dass uns dieses "African Partnership Forum" mit Sicherheit noch einmal wichtige Impulse für die Diskussion in Heiligendamm geben wird.
 
Ich wünsche Ihnen gute Beratungen. Scheuen Sie sich nicht, alle Fakten anzusprechen. Wenn dies im Geist der Partnerschaft und Freundschaft geschieht, ist das die beste Voraussetzung, um anschließend auch Lösungen zu finden.
 
Herzlichen Dank und gute Beratungen.