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"Inhalte in den Mittelpunkt stellen"

Fr, 25.05.2007
Kanzleramtsminister Thomas de Maizière hat sich in einem Interview mit der Berliner Zeitung dafür ausgesprochen, den Inhalten des G8-Gipfels mehr Raum zu geben: eine Globalisierung mit einem menschlichen Gesicht, Klimaschutz, Hilfe für Afrika. Im Hinblick auf die Gipfelgegner machte er deutlich, dass die staatliche Seite kein Interesse an einer Eskalation hat.


Das Interview im Wortlaut:
 
Berliner Zeitung: Herr de Maizière, vom G8-Gipfel sollte nach dem Willen der Bundesregierung ein Signal des friedlichen Ringens um die Probleme der Welt ausgehen, jetzt klingt es nach Protest und Polizeistaat, und man hat den Eindruck, der Staat habe an dieser Eskalation gehörigen Anteil.
 
Thomas de Maizière: Ich sehe keine solche Eskalation. Die Mobilisierung der G8-Kritiker ist geringer als erwartet. Welchen Grund sollte die staatliche Seite haben, in dieser Lage zu eskalieren? Dafür kann ich nicht einmal einen taktischen Grund erkennen.
 
Im Gegenteil, wir haben ein Interesse, dass nicht die Sicherheitsfragen im Mittelpunkt stehen, sondern die Inhalte, also die Verantwortung der großen Industriestaaten für eine Globalisierung mit menschlichem Gesicht, der Klimaschutz, die Hilfe für Afrika.
 
An dem Anschein einer Eskalation haben diejenigen ein Interesse, die mit ihrer Mobilisierung unzufrieden sind und uns in eine Eskalation treiben wollen.
 
Berliner Zeitung: Finden Sie, Hausdurchsuchungen, wie sie vor einigen Tagen bei Gipfelgegnern stattgefunden haben, sind ein ganz normaler Vorgang?
 
De Maizière: Die Durchsuchungen waren Teil eines Ermittlungsverfahrens der Generalbundesanwaltschaft, das der Aufklärung von Straftaten dient. Mit dem G8-Gipfel hatte das nichts zu tun.
 
Berliner Zeitung: Und Geruchsproben, die von Gipfelgegnern genommen werden, finden Sie auch nicht seltsam?
 
De Maizière: Bei diesem Vorgang ging es um die Beweiserhebung in einem Strafverfahren. Es ist geradezu infam, wenn behauptet wird, Ziel sei die präventive Wiedererkennung von Demonstranten wie bei der Stasi.
 
Berliner Zeitung: Und der Zaun? Und das Demonstrationsverbot in der Zone davor?
 
De Maizière: Ohne ein Mindestmaß an Sicherheitsvorkehrungen geht es eben leider nicht mehr bei solchen Veranstaltungen. Es ist polizeitaktisch sinnvoll, in einer Zone 200 Meter vor dem Zaun Angriffe abzuwehren und nicht unmittelbar am Zaun.
 
Dass die Zone ziemlich groß ist, liegt daran, dass - anders als in Berlin - zwischen dem Zaun und der nächsten Straße viel Fläche ist. Die Rettungswege müssen auch frei bleiben.
 
Berliner Zeitung: Haben Sie denn Hinweise darauf, dass Gewalttaten geplant werden?
 
De Maizière: Natürlich haben wir Hinweise, dass es das Ziel einiger Gewalttäter ist, die Veranstaltung zu stören. Sonst bräuchten wir den Zaun ja nicht. Aber wir dramatisieren das nicht. Wir wollen gute Gastgeber sein und werden nicht zur Eskalation beitragen.
 
Berliner Zeitung: Stehen Aufwand und Ergebnis solcher Gipfel noch in einem vernünftigen Verhältnis zueinander?
 
De Maizière: Die Frage ist berechtigt. Nur: Wenn man auf solche Veranstaltungen verzichtet, gibt man denen recht, die sie verhindern wollen. Das kann nicht richtig sein. Diese Treffen sind wichtig. Einmal weil Dinge verabredet werden. Außerdem wegen der Atmosphäre.
 
Die Regierungschefs sitzen über lange Zeit mit ganz wenig Begleitung zusammen und behandeln nicht nur die Tagesordnung, sondern führen auch am Rande viele Gespräche, die Vertrauen schaffen für die Zeit danach. Das ist so nicht ersetzbar.
 
Berliner Zeitung: Lassen Sie uns über die Inhalte sprechen: Man hat den Eindruck, es wird kaum etwas herauskommen bei dem Gipfel. Beim Thema Hedgefonds-Kontrolle steht bereits ein mageres Ergebnis fest. Beim Klimaschutz blockieren die Amerikaner.
 
De Maizière: Wenn jetzt alles schon feststünde, brauchte man die Veranstaltung nicht. Im Übrigen teile ich Ihre Einschätzung nicht: Das Thema Hedgefonds ist auf deutsche Initiative erstmals auf internationaler Ebene behandelt worden.
 
Wir sind da in den letzten drei bis vier Monaten mehr vorangekommen als in den letzten drei bis vier Jahren. Beim Klima rate ich, erst einmal die Konferenz abzuwarten. Ich glaube, da werden sich alle noch erheblich bewegen.
 
Berliner Zeitung: Das heißt, die Hindernisse werden jetzt so hoch wie möglich gezeichnet, damit hinterher alle umso begeisterter sind, wenn doch ein bisschen was herauskommt?
 
De Maizière: Das ist keine Absicht. Aber dass wir Erwartungen lieber über- als untertreffen, ist wahr.
 
Berliner Zeitung: Sie gehen davon aus, dass sich die USA zu konkreten Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet, zu Effizienzerhöhung, Emissionsreduktion oder Verschmutzungsrechten?
 
De Maizière: Ich glaube nicht, dass die Selbstverpflichtungen des G8-Gipfels so konkret werden wie die des europäischen Gipfels. Ich bin aber dagegen, die USA einseitig auf die Anklagebank zu setzen.
 
Viele Schwellenländer tun sich auch schwer mit dem Klimaschutz. Und Russland steht ebenfalls nicht gerade an der Spitze der Bewegung.
 
Berliner Zeitung: Nochmal: Werden sich die USA zu konkreten Schritten verpflichten?
 
De Maizière: Da möchte ich nichts vorhersagen. Ich weiß nur eins: Mindestens beim Thema Energieeffizienz sind die Amerikaner sehr bereit sich zu bewegen. Und wenn sie sich dann bewegen, kommt sehr viel Schwung in die Debatte.
 
Da müssen dann die Europäer vielleicht sehen, wie sie mithalten können. Da geht es dann nämlich plötzlich um Technologie und industrielle Fähigkeiten.
 
Berliner Zeitung: Zur neuen Rolle Deutschlands in der Welt gehört, dass die Bundeswehr inzwischen in Auslandseinsätzen ist. Finden Sie, dass ausreichend definiert ist, welchen Interessen diese Einsätze dienen?
 
De Maizière: Hinter Ihrer Frage verbirgt sich die Sehnsucht nach einer Checkliste für Auslandseinsätze. Eine solche Checkliste gibt es nicht. Es kann sie auch nicht geben.
 
Es muss für Leute, die dem Weltfrieden nicht sonderlich gesonnen sind, unkalkulierbar sein, ob und in welcher Weise Deutschland in Auslandseinsätze geht. Diese Unvorhersehbarkeit ist Teil international verantwortlicher Sicherheitspolitik.
 
Berliner Zeitung: Gerade sind in Afghanistan drei Soldaten bei einem Anschlag ums Leben gekommen. Muss angesichts der Gefährdungslage der Einsatz überdacht werden?
 
De Maizière: Nein. Es kann nicht richtig sein, dass wir in eine Gegend deswegen keine Soldaten schicken, weil es dort gefährlich ist. Wenn das so wäre, bedürfte es keiner Bundeswehr.
 
Soldaten sind keine uniformierten Brunnenbohrer. Die schicken wir außerdem, um beim Aufbau der Infrastruktur zu helfen. Es ist aber richtig, dass es noch nicht ausreichend gelungen ist, das einem Teil der Bevölkerung zu vermitteln.
 
Berliner Zeitung: Finden Sie, dass der Parlamentsvorbehalt überdacht werden sollte?
 
De Maizière: Im internationalen Vergleich ist das Recht des deutschen Bundestags sehr stark. Aber ich halte das für angemessen, und wir brauchen darüber jetzt keine Diskussion.
 
Der Bundestag geht mit seinem Recht sehr verantwortlich um.
 
Berliner Zeitung: Noch kurz ein anderes Thema. In der Koalition hakt es beim Mindestlohn. Wird es einen Kompromiss geben?
 
De Maizière: Ich hoffe ja. Wir haben ein Angebot gemacht, das an die Grenzen dessen geht, was wir für verantwortbar halten. Es liegt jetzt bei der SPD, ob sie es annimmt oder nicht.
 
Wir wissen, dass das der SPD nicht ausreicht. Aber das ist dann die alte Frage, ob einem der Spatz in der Hand lieber ist als die Taube auf dem Dach.
 
Berliner Zeitung: Also mehr gibt es nicht? 
 
De Maizière: So sehe ich das.